Das duale Berufsausbildungssystem muss eine Alternative werden

Das duale Berufsausbildungssystem muss eine Alternative werden<br><img class="text-align: justify" src="https://bildungswissenschaftler.de/wp-content/uploads/2013/07/theorie_120.png"/><img class="text-align: justify" src="https://bildungswissenschaftler.de/wp-content/uploads/2013/07/praxis_120.png"/><img class="text-align: justify" src="https://bildungswissenschaftler.de/wp-content/uploads/2014/08/meinung_120.png"/>

Die neue Expertise des Ländermonitors „Berufliche Bildung“ zur Entwicklung der Berufsausbildung in Klein- und Mittelbetrieben (KMU) spricht eine klare Sprache. Es wird sich etwas tun müssen. Das Papier von Meike Baas und Martin Baethge (Download) erläutert umfangreich den Stand der Dinge und die Abhängigkeiten von Beschäftigung und Ausbildung und fasst die Datenlagen anschaulich zusammen. Wie auch in diesem Blog versuchen die Autoren, den KMU Begriff zu differenzieren und die Ausbildungsbeteiligung zuzuordnen. Das gelingt sehr gut und zeigt erneut, dass die Klein- und Kleinstbetriebe den höchsten Anteil an Ausbildungsaktivität stemmen. Es wird nur nicht immer deutlich. Ein Betrieb mit 6 Mitarbeitern und einem Auszubildenden ist offiziell ein Ausbildungsbetrieb, ebenso wie einer mit 250 Mitarbeitern und einem Auszubildenden. Die Ressourcenfrage zur Abwicklung dualer Berufsausbildung bei aktueller Entwicklung braucht man praktisch nicht zu stellen.

Baethge und Baas beschreiben eine Entkopplung von Berufsausbildung und Beschäftigung. Der zunehmenden Beschäftigung in Deutschland steht eine Abnahme der dualen Berufsausbildung gegenüber. „Innerhalb der gegenläufigen Entwicklung von Beschäftigung und Ausbildung zeigen sich bei den Klein- und Mittelbetrieben dabei stark unterschiedliche Entwicklungen. Bei den Kleinbetrieben fiel der Rückgang der Ausbildungsquote mit rund 1,4 Prozentpunkten bzw. einem Fünftel besonders deutlich aus. Sie sank von rund 7,2 auf rund 5,8 %“ so der Bericht. Ebenso wird auf einen Zyklus hingewiesen, wonach in wirtschaftlich guten Zeiten gerne vergessen wird, für die schlechten vorzusorgen Ergo: wenn man zusätzlich ausbilden könnte, tut man es nicht. Der Zyklus ist aber auch anders zu betrachten als üblicherweise. Zum einen, weil den Nachfolgern nachgesagt wird, das Anforderungen des Systems nicht mehr erfüllen zu können und zum anderen, weil Überbedarf Ausbildung, zum Beispiel von großen Ausbildungswerkstätten (sofern noch vorhanden), so gut wie nicht mehr praktiziert wird. In der Fertigung würde man sagen, es sollte keine Pufferteile geben. Alles was genutzt wird, muss Verwendung finden – sonst kostet es nur Geld.

Das Fazit der Autoren lautet:

„Transformationen der beruflichen Ausbildung – Die der Untersuchung zugrunde liegende Prämisse, dass das betriebliche Ausbildungsverhalten über die Zukunft der dualen beruflichen Bildung entscheidet und die Betriebsgröße dabei einen wichtigen Faktor abgibt, kann als bestätigt gelten. Allerdings zeigt die Analyse der Daten auch, dass nicht die Betriebsgröße als solche, sondern die Verbindung mit den Markt-, Produktions- und Kontextfaktoren der Betriebe deren Ausbildungsbeteiligung erklärt. […] Bezogen auf die Ausgangskonstellation der Analyse, der langfristigen Rückläufigkeit der dualen Ausbildungsangebote, spricht wenig dafür, dass sich diese Entwicklung nachhaltig umkehren könnte.

1. Rückzug der Betriebe aus der Ausbildung: – Schließlich droht mit dem Rückzug von Kleinbetrieben mittelständisches Commitment, das traditionell als eine große Ressource der dualen Berufsausbildung wirkte, an Gewicht zu verlieren.

2. Entkopplung von Beschäftigung und Ausbildung auf der strukturellen Ebene: – Für ein Ausbildungssystem aber, das so stark wie das deutsche auf einer – zumindest lockeren – Kopplung von Ausbildung und Beschäftigung beruht, wäre eine dauerhafte Entkopplung ein gravierendes Problem mit weitreichenden beschäftigungs- und sozialstrukturellen Folgen.

3. Zunehmende Abstimmungsprobleme und Unsicherheiten: – Da Klein- und Mittelbetriebe weiterhin das Gros der Ausbildungsangebote stellen werden, könnten mittelfristig die Unsicherheiten und Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungsmarkt zunehmen.

4. Regionale Disparitäten und Passungsprobleme auf dem Ausbildungsstellenmarkt: – Die Passungsprobleme werden in Zukunft noch mehr als bereits jetzt die Klein- und Mittelbetriebe treffen, da sie bisher oft die weniger attraktiven Ausbildungsplätze angeboten haben und stärker auf die Nachfrage aus den unteren Qualifikationsgruppen angewiesen waren.“

Al·ter·na·ti̱·ve; Substantiv [die] – eine Möglichkeit, die man anstelle einer anderen auch wählen kann. Das bedeutet, dass wir uns nun tatsächlich darum kümmern müssen, dass das duale Berufsbildungssystem eine Alternative darstellen sollte. Wir benötigen Wege in der beruflichen Bildung, die für alle diejenigen offen sind, die nicht in das System passen. Anders als im Moment, in welchem alle Aktivitäten dahin arbeiten. alles in das System einzupassen. Es gibt genug Beispiele, wie das gelingen kann. Die Betriebe werden sich um ihr Geschäft kümmern, weniger um die strukturellen Schwierigkeiten, die ein System mit sich bringt.  Es sieht aber wieder so aus, wie bei den meisten betrieblichen Angelegenheiten die gesellschaftliche Auswirkungen haben, dass die Politik hier wieder nur Nachregulieren kann.

„[…] sollte auf der anderen Seite im Zuge verstärkter Digitalisierung sich der Trend zu höheren Anforderungsprofilen in Richtung auf Wissens- und Analysekompetenzen auch im mittel- und kleinbetrieblichen Bereich verstärken, müsste man grundlegend neu über die duale Ausbildung nachdenken.“ (Baas, Baethge, 2017)

©2017 Achim Gilfert. Dieser Beitrag ist zur Weiterverbreitung nach den in diesem Blog veröffentlichten Regeln zum Urheberrecht veröffentlicht. Diese Regeln finden Sie hier: Urheberrechtshinweise.

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